Aus dem ersten FUK-Report 1/2025: Vegetationsbrandbekämpfung
- Erschienen amZur Vermeidung von Unfällen bei der Bekämpfung von Vegetationsbränden ist die Feuerwehr-Unfallkasse Brandenburg mit unterschiedlichen Akteur_innen [GM1] im Land Brandenburg und teilweise über die Landesgrenzen hinaus vernetzt. Eine Partnerin ist die Landesschule und Technische Einrichtung für Brand- und Katastrophenschutz (kurz LSTE).
Diese bietet eine Spezialausbildung zur Vegetationsbrandbekämpfung an.
Die Hintergründe werden im Folgenden erklärt. Eine Kurzfassung wurde im FUK-Report (1/2025) bereits veröffentlicht.
Anlass für die Weiterentwicklung der Spezialausbildung zur Vegetationsbrandbekämpfung an der LSTE
Sowohl die Einsatzfrequenz, als auch die Dynamik von Vegetationsbränden haben in den vergangenen Jahren seit 2018 in Episoden zugenommen. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass Vegetationsbrände für gewöhnlich keine statischen, sondern vielmehr [GM2] dynamische Ereignisse darstellen: Die Einsatzstelle wird im zeitlichen Verlauf raumeinnehmend und vergrößert sich ohne angemessene Interventionsmaßnahmen, bis der Vegetationsbrand auf ein natürliches oder künstliches Hindernis aufläuft oder das gesamte verfügbare Brennmaterial aufgebraucht ist. Die Gefahrenabwehrmöglichkeiten sind immer in Abhängigkeit von der[GM3] Brandintensität und somit mit dem Grad der Kontrollierbarkeit zu betrachten. Es ist essenziell zu wissen, welche technisch-taktische Möglichkeit zum jeweiligen beobachteten und zu erwartenden Feuerverhalten passt. Die taktischen Grenzen sowie die Effizienz von Einsatzoptionen zu kennen, sind für zukünftige dynamische Einsatzszenarien mit Blick auf den Klimawandeltrend sehr bedeutsam. Die Ausbildung soll nicht nur das Hier und Jetzt berücksichtigen, sondern auch Feuerwehrangehörige für mögliche Einsatzlagen der Zukunft unter veränderten Bedingungen vorbereiten. Die komplexen[GM4] , ineinandergreifenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Prozesse beeinflussen die Entstehung und Bekämpfung von Vegetationsbränden (Stichwort: Kampfmittelbelastung). Sie erschweren ggf. den sicheren Schutz von Gütern und die Möglichkeiten zur Gefahrenabwehr.
Neue Inhalte, Methoden oder technische Schwerpunkte
In der Spezialausbildung werden ressourcenschonende Möglichkeiten aufgezeigt und erlebbar gemacht. Durch das sogenannte Taktigramm der Vegetationsbrandbekämpfung wird ein reichlich gefüllter Werkzeugkasten vorgestellt, der für die Taktikvarianten Angriff, Verteidigung, Rettung und Rückzug wesentliche Umsetzungsoptionen bietet. Die Feuerwehrangehörigen, die bislang vielmehr für statische Einsatzlagen vorbereitet werden, erfahren in der Ausbildung[GM5] , wie die räumlich-zeitliche Variation des Brandverhaltens im Landschaftsraum auch Einfluss auf die Umsetzung von Maßnahmen hat. Die Einsatzkräfte sollen auch für ein angemessenes Situations- und Risikobewusstsein sensibilisiert werden. Auch der wassersparsame Einsatz beispielsweise mit Löschrucksäcken, Handwerkzeugen und leichten Armaturen ist ein Thema der zukunftsorientierten Grundausbildung. In der speziellen Führungsausbildung werden überdies auch Beurteilungsaspekte zum Feuerverhalten (z.B. einfache taktische Waldbrandprognose) und im Kontext des sogenannten Wildland-Urban-Interface (frei übersetzt: Siedlungs-Wildnis-Schnittstelle) und der damit im Zusammenhang stehenden Objektverteidigung thematisiert.
Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und internationaler Austausch
Aktuelle und prinzipielle Schlussfolgerungen aus wissenschaftlichen Beiträgen, die Waldbrandereignisse und deren Bedingungen und Bekämpfungsmöglichkeiten untersucht haben, bilden die Grundlage für die Ausbildungsinhalte. So bieten meteorologische[GM6] und topografische Bedingungen Rückschlüsse zum Gefährdungspotenzial von schwer kontrollierbaren Bränden und zum Ausbreitungsverhalten. Überdies sind auch wissenschaftliche und internationale Erkenntnisse zu den technisch-taktischen Kontrollschwellen und den Eigenschaften von Brennstoffen in die Ausbildungsinhalte integriert worden.
Auch bewährte Sicherheitsprozeduren wie die international anerkannte „LACES-Regel“ (Lookouts, Anchor points, Communications, Escape Routes, Safety Zones) sollen in der Vegetationsbrandbekämpfung einen soliden Sicherheitsrahmen setzen, um beim regelhaften Vorgehen und bei plötzlichen Lageänderungen nach einem strukturierten Handlungsalgorithmus zu arbeiten.
Zielgruppen der Ausbildung
Die spezielle Ausbildung in der Vegetationsbrandbekämpfung ist nach den Empfehlungen der Unterarbeitsgruppe Ausbildung (Bestandteil der länderoffenen Arbeitsgruppe nationaler Waldbrandschutz) aufgabenteilig und adressatenorientiert unterteilt.
Für die kommunale Grundlagenausbildung im Vegetationsbrandeinsatz wurden den örtlichen und überörtlichen Aufgabenträger_innen des Brandschutzes und der Hilfeleistung vorbereitete Rahmenpläne und Ausbildungsunterlagen durch die LSTE bereitgestellt, um eine einheitliche Basis zu Begriffen, Einflussfaktoren, Sicherheit, persönlicher [GM7] Schutzausrüstung, Gerätekunde und letztendlich zur technisch-taktischen Anwendung zu vermitteln. Für die Beschaffung spezieller Ausrüstung hat das Land Brandenburg den Aufgabenträger_innen Zuwendungen bereitgestellt. Grundsätzlich sind für die Grundlagenausbildung keine speziellen Vorerfahrungen notwendig. Die Teilnehmenden müssen wie bei anderen weitergehenden, technischen Lehrgängen mindestens die Truppmannausbildung Teil 2 nach FwDV 2 absolviert haben.
Für die spezielle Führungsausbildung an der LSTE ist derzeit mindestens die Gruppenführerqualifikation Voraussetzung. Mit dem sukzessiven Aufbau der kommunalen Grundausbildung Vegetationsbrand wird mittelfristig diese Teilnahme eine obligatorische Voraussetzung. Idealerweise sind die Teilnehmenden zum „Ausbilder in der Freiwilligen Feuerwehr nach FwDV 2“ qualifiziert, jedoch kann dies auch nachträglich erfolgen. Schwerpunkte der Führungsausbildung bilden das erweiterte Verständnis zu Einflussfaktoren und der besonderen Beurteilung von Vegetationsbrandsituationen, das Priorisieren und die Auswahl einer angemessenen, technisch-taktischen Umsetzung und besondere Sicherheitsaspekte wie vorausschauende Überlegungen zur Rückzugsplanung bei JEDEM Vegetationsbrand! Zudem werden auch die Zusammenarbeit mit Dritten und die Einbindung von Spezialfähigkeiten thematisiert. Daher ist es essenziell, dass auch Expert_innen des Kampfmittelbeseitigungsdienstes, des Deutschen Wetterdienstes, des Landesbetriebes Forst Brandenburg, von @fire, den Spezialisierten Kräften Vegetationsbrand Oberhavel, aus dem Waldbrandmanagement und von der Feuerwehr-Unfallkasse Brandenburg im Lehrgangsgeschehen beteiligt werden. Durch diesen interdisziplinären Ansatz werden die Teilnehmenden im Führungslehrgang befähigt[GM8] , taktische Einheiten in Vegetationsbrandeinsätzen zu führen. Zudem berücksichtigt der Lehrgang auch das fachspezifische Ausbilden in der Vegetationsbrandbekämpfung (Organisation, Stationsausbildung, spezielle Methodik) und kann als Multiplikator eingesetzt werden.
Sicherheit bei dynamischen Einsatzlagen
Durch die Vermittlung von Kontrollschwellen, also durchschnittlich wahrzunehmenden und zu erwartenden Flammenlängen, erhalten die Feuerwehrangehörigen einen besseren Ermessensspielraum für die Anwendungsgrenzen der technisch-taktischen Möglichkeiten nach dem Taktigramm. Angriffsmaßnahmen, die durch die direkte Nähe zum aktiven Feuersaum die größten Gefährdungsmomente erzeugen, sollen nicht gegen die Front, sondern nach dem sogenannten AFFEN-Handlungsschema vorgetragen werden, sofern der taktische Einsatzwert der Einheiten einen Angriff überhaupt noch zulässt. Dabei soll von einem sicheren Ankerpunkt aus, das Aufrollen der Flanken erfolgen, bevor man die Front bekämpft, den Flächenbrand komplett eingrenzt und letztendlich ein definiertes Band um den gesamten Brandflächenumfang gründlich nachlöscht. So soll vermieden werden, dass Einsatzkräfte vom Feuersaum eingeschlossen werden. Zudem sollen Einsatzfahrzeuge grundsätzlich in Fluchtrichtung (Rückzug planen) an der Einsatzstelle aufgestellt werden. Es wird empfohlen, dass Löschfahrzeuge mit einem Löschmitteltank mindestens 300 Liter bzw. bei Tanklöschfahrzeugen mindestens 10 % des Tankvolumens zum Eigenschutz zurückhalten. Die LACES-Regel soll im Rahmen der Auftrags- und Befehlserteilung zu einer standardisierten Kommunikation innerhalb einer taktischen Einheit werden. Die Rückzugsplanung (Escape-Routes/Rückzugswege; Sicherheitszone) gehört zu einer der ersten Maßnahmen, die bei einem Vegetationsbrand festgelegt und sichergestellt werden muss. Es ist bedeutsam, die Einsatz- und Führungskräfte für ein differenziertes Risiko- und Situationsbewusstsein zu sensibilisieren. Eine scheinbar kontrollierbare Situation kann beispielsweise durch Windänderungen sowie durch Knall- und Explosionsgeräusche auf Kampfmittelverdachtsflächen zu einer völligen neuen Bewertung der Lage führen.
Praxisnähe fördert Einsatzfähigkeit
Das eigene Erleben von realitätsnahen Situationen erfährt im Rahmen der kompetenzorientierten Ausbildung einen besonderen Stellenwert, obgleich spezialisiertes Basiswissen eine Voraussetzung für praktische Anwendungen darstellt. In der Grundlagenausbildung sind etwa die Hälfte der Stunden mit praktischen Anteilen versehen. In der Führungsausbildung betragen die praktischen Anteile 33 Prozent. Die Übungsbedingungen sollen sich zumindest anhand der Umgebung an das reale Umfeld im Einsatzgeschehen orientieren. Der Einsatz von Realfeuern wird aus Sicht der LSTE derzeit nicht ausdrücklich empfohlen, da die individuellen Risiken aufgrund der täglich wechselnden Einflussfaktoren fehlinterpretiert werden können. Eine Bagatellisierung des Übungsfeuereinsatzes kann zu unkontrollierbaren Situationen führen.
Das Bedürfnis nach dem „train as you fight“-Gedanken ist bekannt und durchaus nachvollziehbar. Durch eine Unterarbeitsgruppe auf Bundesebene sollen im Rahmen einer Fachempfehlung Mindestbedingungen, -voraussetzungen und -qualifikationen für die angemessene und verhältnismäßige Nutzung von Übungsfeuern definiert werden, um ein realitätsnahes und fokussiertes Ausbildungsziel zu erreichen. Von einer ungeübten und erfahrungsarmen Verwendung von Brennkannen wird ausdrücklich abgeraten.
PSA zur Vegetationsbrandbekämpfung
Für die praktische Ausbildung sollen die Teilnehmenden gereinigte und geeignete persönliche Schutzausrüstung tragen, die sie von den kommunalen Aufgabenträger_innen des Brandschutzes und der Hilfeleistung bereitgestellt bekommen haben. Die Hauptgefährdungen für Einsatzkräfte sind bei Vegetationsbrandeinsätzen insbesondere Expositionsbelastungen durch Strahlungswärme, Glut und Brandrauch sowie infolge der Umgebungsbedingungen die physiologischen Beanspruchungen durch Wärme von außen sowie durch Erhöhung der Körperkerntemperatur bei schwerer Arbeit unter isolierender PSA. Dies macht deutlich, dass die PSA 12 (BBK2 zur Brandbekämpfung im Innenangriff) nach DGUV-Information 205-014 für derartige Einsatzbedingungen nicht als angemessene Schutzkleidung zu betrachten ist. Im Gegenteil: Die im Innengriff gewünschte isolierende Schutzwirkung ist für die Brandbekämpfung im Freien bei konstant hohen sommerlichen Lufttemperaturen über die Tragedauer gesehen, vielmehr als unkomfortabel bis hin zu gefährdend zu bewerten. Regelmäßig dokumentieren Einsatzbilder mit unbedeckten Oberkörperextremitäten diese kontextualisierte Aussage. Als universelle PSA für Einsätze im Freien ist die PSA 11 (BBK1 zur Brandbekämpfung im Freien) durch die kommunalen Aufgabenträger bereitzustellen. Dabei sollte auch die Multifunktionalität/Interoperabilität mit anderen Einsatzszenarien für die PSA-Träger im Beschaffungsprozess berücksichtigt werden. Feuerwehreinheiten, die aufgrund ihrer Schwerpunktaufgaben sowie der retrospektiven Einsatzfrequenz bei Vegetationsbränden sollten überdies abwägen, ob eine spezielle PSA 14 (BBK3 zur Brandbekämpfung bei Vegetationsbränden) als angemessene Ergänzung zur universellen Feuerwehrschutzbekleidung zu beschaffen ist. In den speziellen Führungslehrgängen an der LSTE sensibilisieren sowohl Lehrkräfte als auch die Gastdozenten der FUK BB die Teilnehmenden regelmäßig in einer direkt dafür berücksichtigten Ausbildungseinheit.
